Heideland

~ Tag 4 ~

Datum: Freitag, 9. September 2016
Wetter: vereinzelt ein paar Wolken, 28°C

Tageskilometer: 34,5 km (Cosel – Schwepnitz – Schmorkau – Königsbrück – Röhrsdorf – Lüttichau – Königsbrücker Heide)
Reine Fahrtzeit: 06:19:48
Durchschnittsgeschwindigkeit ohne Pausen: 8,6 km/h
Durchschnittsgeschwindigkeit mit Pausen: 5,5 km/h
Höhenmeter im An- & Abstieg: 334 m / -326 m
Minimale/Maximale Höhe: 133 m / 199 m

Unterkunft: Zelt auf dem Aussichtsturm

Als ich am Morgen aus dem Zelt krabbele, läuft der blöde Motor immer noch und ich bin echt genervt davon. Erst während ich mein Frühstück verspeise – wie immer einen Obstsalat mit Joghurt und einen Becher heißen Milchkaffee – stellt endlich jemand das dröhnende Ding ab. Ruhe! Jetzt kann ich wieder den Geräuschen der Natur lauschen, während ich esse und anschließend Tagebuch schreibe. Vogelzwitschern, das Platschen der Fische und das hohe Pfeifen der Eisvögel, die manchmal dicht vor mir über die Wasseroberfläche fliegen.

Nachdem ich anschließend mein Lager geräumt und die Taschen alle wieder auf dem Rad verstaut habe, kann es erneut losgehen. Es ist schon jetzt, um halb 10, fast unerträglich warm und beginne bald auf dem Rad zu schwitzen, während die Kilometer unter mir davon rollen. Wie gestern habe ich auch heute wieder Gegenwind, doch zum Glück führt mich die Radroute mich zumeist auf kühleren, windgeschützten Waldwegen entlang, auch wenn diese natürlich nicht besonders abwechslungsreich sind. Erst ab Königsbrück, wo ich noch ein paar Lebensmittel einkaufe und ein Eis esse, wird die Strecke abwechslungsreicher.

Leider war es in Königsbrück noch zu früh für eine Einkehr, hatte ich doch gerade erst gefühstückt, aber in den darauf folgenden Dörfern gibt es weder einen Biergarten noch ein Café oder Gasthaus. Eigentlich brauchte ich auch nichts zu Essen, ich müsste nur dringend meinen Handy-Akku laden. Der dritte Reserve-Akku hat ausgerechnet auf dieser Tour den Geist aufgegeben und so muss ich nun mit lediglich zweien auskommen. Da ich aber kontinuierlich den gefahrenen Track mit dem Handy aufzeichne und meist auch noch nebenbei Musik höre, ist pro Tag ein Akku leer.

In Lütichau, wo sich das einzige offene Besenheide-Gebiet der Königsbrücker Heide befindet, komme ich mit einem netten älteren Herren am Gartenzaun ins Gespräch. Er empfiehlt mir, dass ich auf dem Aussichtsturm Zochauer Heide nächtigen könne. Er hätte das früher auch schon einmal getan. Ich frage ihn anschließend, ob er eventuell meinen Akku bei sich laden könnte. Ich würde erst einmal ein Stück den Zochauer Heideweg entlang radeln und mir ansehen, ob ich die Nacht wirklich dort auf dem Turm verbringen möchte. Zwei Stunden später würde ich den Akku dann wieder abholen kommen. Glücklich darüber, dass er sich dazu bereit erklärt, fahre ich wieder los. Ansonsten hätte ich am nächsten Tag die restliche Route nicht mehr aufzeichnen können.

In der Zochauer Heide angekommen, sehe ich mir erst einmal den Aussichtsturm an und befinde, dass das hier wirklich ein hübscher Fleck zum Bleiben ist. Ich habe jedoch so gar keine rechte Lust mehr, wieder zurück zu dem Herren in Lüttichau zu fahren, um den Akku zu holen. Es ist einfach zu heiß. Da der momentane Handyakku noch ein Bisschen Saft hat, gebe ich bei Google die Straße wo der Mann wohnt ein, die Hausnummer errate ich und das Telefonbuch spuckt mir einen Namen aus, der passen könnte. Also rufe ich auf gut Glück dort an und tatsächlich, es ist die richtige Nummer! Ich frage den Herren, ob ich den Akku auch noch am nächsten Morgen abholen könne und der gute Mann versichert mir, dass dies kein Problem wäre.

Nachdem ich mich etwas ausgeruht habe, erkunde ich noch ein Bisschen die Landschaft um mich herum. Hier ist die Besenheide schon ein Stück mehr verblüht, als beim Forsthaus Prösa, aber es war ja auch total heiß und trocken die letzten Tage. Weit kann man hier zudem auch nicht in die Heidefläche gelangen. Der einzige Fahrweg hinein ist leider abgesperrt. So widme ich mich beim Fotografieren einfach nur kurz ein paar Details, dazu braucht man nicht viel Raum und muss sich auch nicht allzu viel bewegen.

Aber es ist einfach zu warm für alles. Ich bringe also nur noch all meine Sachen den Aussichtsturm hinauf – schwitz! Ich werde, wie vorgeschlagen also heute Nacht dort oben unterm Sternenhimmel nächtigen. Ich hoffe nur, dass es in der Nacht nicht gewittern wird. Um die Hitze etwas besser zu ertragen, mache ich danach erstmal einfach gar nichts, setze mich auf eine Bank auf dem Turm, blicke in die Landschaft und genieße jeden einzelnen Windhauch, der vorüber zieht. Anschließend schreibe ich noch ein paar Zeilen ins Tagebuch, kann mich aber kaum darauf konzentrieren, da ich nur noch ganz wenig Akkuleistung habe und meine jüngste Tochter telefonisch nicht erreichen kann, obwohl sie längst Zuhause sein müsste. Einige Zeit später ruft sie mich jedoch zurück und ich kann den Abend nun doch noch erleichtert in Ruhe ausklingen lassen. Sie war einfach eingeschlafen und hatte das Handy auf lautlos geschalten.

Es ist so heiß, dass ich auch im schönen Abendlicht kaum Lust habe, die Kamera noch einmal in die Hand zu nehmen, schnappe sie mir dann aber doch noch einmal und steige vom Turm hinab. Es war doch letzten Endes gut, mich überwunden zu haben, denn an der Bank unterhalb des Turmes landen ständig Libellen, die sich dort immer kurze Zeit sonnen, bevor sie wieder weiterfliegen. Ihre filigranen Flügel fangen das Licht der Abendsonne ein und reflektieren es glänzend, wie pures Gold, zurück. Leider ist es gar nicht so einfach, sich nahe genug an sie heranzupirschen, um sie zu fotografieren ohne sie dabei aufzuscheuchen.

Während ich vertieft darin bin, die Libellen zu fotografieren, kommt auf einmal ein Herr mit eine Fahrrad angeradelt. Als er neben mir hält, erkenne ich ihn als den netten Menschen aus Lüttichau wieder, bei dem ich meinen Akku gelassen hatte. Er konnte sich, wie er zugibt, einfach nicht erklären, wie ich ihn anrufen konnte, obwohl ich seinen Namen gar nicht kenne. Ob das denn wohl alles mit rechten Dingen zuging, wenn ich behauptet habe, in der Heide auf dem Turm schlafen zu wollen? Ich konnte ihn überzeugen, dass ich tatsächlich hier schlafen werde und habe ihm auch erklärt, wie ich über´s Internet an seine Telefonnummer gekommen bin. Zufrieden und beruhigt, dass doch alles in Ordnung ist, zieht er schließlich von dannen und ich bin wieder allein auf weiter Flur.

Zum Sonnenuntergang steige ich wieder auf den Turm und esse, während die letzten Strahlen über den Horizont streichen, meinen Salat. Währenddessen setzt hinter mir im Wald plötzlich das Röhren der Hirsche ein, auf welches ich die letzten Tage immer ein Bisschen gehofft habe. Schließlich ist gerade Brunftzeit des Rotwildes, aber leider ist es auch ziemlich warm, was das Brunftgeschehen etwas dämpft. Es ist ein schaurig schönes Geräusch, was man nicht allzu oft erleben kann. Leider sind die Hirsche zu weit entfernt, als dass ich sie sehen, oder gar fotografieren könnte. Zu hören sind sie jedoch die ganze Nacht hindurch, bis in die zeitigen Morgenstunden.

Eigentlich hatte ich vor gehabt, einfach so mit meiner Matte auf der Plattform unter freiem Himmel zu schlafen, aber mit der einbrechenden Dämmerung sackt die Temperatur wieder rapide ab und es bildet sich so viel Tau, dass mein Schlafsack klitschnass werden würde. Ich baue also doch noch schnell das Zelt auf. Zum Glück ist mein Micra wirklich auch micro und so passt es gerade eben so auf die freie Fläche.

Als dann schließlich der Mond über der Heide aufgeht und die dahin ziehenenden Bodennebel beleuchtet, beschließe ich, das erste Timelapse meines Leben zu probieren. Aber eigentlich habe ich keine wirkliche Ahnung, was ich da tue. Ich spiele etwas mit den Einstellungen herum und hoffe, dass etwas Brauchbares dabei heraus kommt. Auf dem Kameradisplay sieht die erste kurze Probe jedenfalls ganz brauchbar aus. Also stelle ich nun den Selbstauslöser an der Kamera noch einmal ein, decke sie gegen den Tau mit einem Handtuch ab, krieche für die nächsten drei Stunden in mein Zelt und lasse sie währenddessen arbeiten.

Ich kuschele mich tief in meinen Schlafsack und stelle mir den Wecker auf 1 Uhr am Morgen, um die Kamera auszuschalten. Gerade als ich sie dann holen will, gibt auch der Kamera-Akku seinen Geist auf, das ist Timing. Schließlich husche ich schnell wieder ins Zelt und in die warmen Daunen. Nur ein paar Sekunden lang ist der „Film“ geworden, aber auf den ersten Blick scheint mein erster Versuch ganz gut gelungen zu sein. Zufrieden damit schlafe ich nun mit den röhrenden Hirschen als Nachtmusik wieder ein.

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