Rumänien – Durch die wilden Karpaten
~ Teil 1 ~
Am 31. Juli 2000 starteten wir von Dresden aus in Richtung Tschechischer Grenze (Hřensko), aber schon in Pirna mussten wir unsere Fahrt wieder unterbrechen, weil der kleinen Josefin, damals grad zwei Jahre alt, im Auto hinten so schlecht geworden ist, dass sie sich gleich einmal von oben bis unten vollgebrochen hatte – das konnte ja heiter werden bei allein 1000 Kilometern Anreise! Wir wechselten die Sachen, besorgten ihr in der Apotheke noch ein Mittel gegen Reiseübelkeit und weiter ging es. Das Mittel half uns so kamen wir doch unverhofft gut voran. Gegen Abend schlugen wir zum ersten Mal unser Zelt auf – irgendwo in den Wäldern der Slowakei. Über Ungarn ging es dann am nächsten Tag nach Rumänien, wo wir im Norden bei Satu Mare die Grenze überquerten…
Maramures – im Norden Rumäniens, nahe der Grenze zur Ukraine gelegen – gehört zu den ursprünglichsten Regionen dieses Landes. Es ist ein bergiger, waldreicher Landstrich voller Vielfalt und natürlicher Schönheit. Man fühlt sich hier mindestens um ein Jahrhundert in der Zeit zurückversetzt. Pferdefuhrwerke, Ochsenkarren, spielende Kinder, Hühner, Gänse und Hunde auf den löchrigen Straßen gehören genauso zum Ortsbild, wie der Bauer mit seiner Sense auf der Wiese und die daneben friedlich grasenden Kühe. Am Abend sitzen die Männer beim Kartenspielen und die Frauen beim Bohnenschnibbeln oder einfach nur so zu einem kleinen Plausch auf den Bänken an der Straße…
Auch für Rumänien selbst, ist die Maramures ein ganz besonderer Landesteil. Hier sollen die freien Draker gehaust haben, die nie durch das römische Imperium besetzt wurden, sondern nur Handel mit ihm trieben, und die sich auch sonst allen Eindringlingen widersetzten. Die Rumänen sagen selbst, in der Maramures leben die freundlichsten, hilfsbereitesten, aber auch die starrköpfigsten Bewohner ihres Landes. Und die Hilfsbereitschaft der Rumänen sollen wir in den nächsten Tagen noch mehrfach genießen dürfen. Entlang der wenig befahrenen Dorfstraßen stehen kleine Bauernhäuser, oft ganz aus Holz errichtet – viele mit kunstvoll geschnitzten Verzierungen und riesigen Holztoren. Gerade die Holzbaukunst, die über Jahrhunderte hinweg in den Dörfern sich erhalten hat, ist allein schon einen Besuch dieser Region in den Karpaten wert. Zu ihren Wahrzeichen gehören auch wunderschöne Holzkirchen, die in fast jedem Ort zu sehen sind. Sieben davon wurden von UNESCO in die Welterbeliste aufgenommen.
Hier wird auch das Brauchtum noch gepflegt. Es ist Sonntag und auf den Straßen sieht man vielerorts die Menschen in traditioneller Kleidung, mit geblümten Röcken, bunt bestickten Schürzen, Filz- oder Schafwollwesten und bunten Kopftüchern zur Kirche gehen. Wir kommen an in Sapinta, einem kleinen Ort, der eine besonders originelle Sehenswürdigkeit zu bieten hat: den „Heiteren Friedhof“. Dass hier ab und zu Touristen vorbeikommen, machen sich einige Bäuerinnen zunutze, die bei schönem Wetter ihre Webstühle am Straßenrand aufbauen und wunderschöne, dicke Wollteppiche weben und zum Kauf anbieten.
Im Jahre 1935 hat sich hier ein junger Mann namens Ion Stan Patras verpflichtet, günstig ein Holzkreuz für einen verstorbenen, armen Menschen anzufertigen. Dieses Holzkreuz war eine Überraschung, da es mit der Tradition brach. Es war bunt bemalt mit geschnitzten naiven Versen und Bildern wurde auf komische Weise das Leben des Verstorbenen beschrieben. Die Dorfeinwohner waren so begeistert, dass sie nun für alle Verstorbenen Kreuze bei Ion Stan Patras bestellten. Somit entstand im Laufe der Jahre ein kleiner, ungewöhnlicher Friedhof im Kirchenhof. Jedes dieser Kreuze enthält ein Bild und die Beschreibung eines Lebens in der Mundart der Menschen aus Maramures. So kann man, sofern des Rumänischen mächtig, von Trunkenbolden, Schürzenjägern und zänkischen Schwiegermüttern lesen… Der Friedhof erzählt so auch einen Teil der Dorfgeschichte. Ungefähr 700 Holzkreuze stehen heute um die orthodoxe Kirche – alle im besonderen Blau von Sapânta.
Jetzt biegen wir ab, um möglichst auf kleinen Bergstraßen, die Karpaten entlang zu fahren. Wir wollen die ursprünglichen und möglichst wenig touristisch geprägten Bergregionen erkunden, auch wenn wir oftmals nur im Schritttempo vorankommen. Ein Bauer, der mich irgendwie sehr an meinen Opas erinnert, der in seiner Jugend immer in der Landwirtschaft geholfen hat, wie ich mich aus seinen Erzählungen noch erinnern kann, als ich ein Kind war. Am Abend finden wir lange keinen geeigneten Lagerplatz. Als es schon dunkel wird, beschließen wir uns auf einer Wiese mitten in einer recht offenen Landschaft niederzulassen, da wir nirgends einen geschützteren Platz finden konnten.
Am nächsten Morgen kommen dann schon in aller Frühe zwei Bäuerinnen mit je einer Kuh im Schlepptau, die sie auf „unserer“ Zeltwiese zum Weiden anpflöckern wollen. Ganz von Deutschland gewohnt, rechnen wir natürlich damit, dass wir Ärger bekommen, weil wir hier zelten, aber genau das Gegenteil ist der Fall. Die beiden sind unglaublich freundlich, verständigen sich mit Händen und Füßen mit uns, beobachten, wie ich das Frühstück auf dem Benzinkocher zubereite und melken die Kühe, um meiner Tochter die Milch zu schenken… Anschließen graben sie noch frische Kartoffeln aus, ziehen ein paar Möhren und schenken sie uns – wir sind einfach nur überwältigt von so viel Gastfreundschaft. Etwas später werden sogar noch die beiden Enkelsöhne geholt, die im gleichen Alter wie meine Kinder sind, um sie uns vorzustellen…
Gegen Mittag fahren wir dann schließlich mit der Adresse einer Bäuerin weiter, um ihr die Fotos zu schicken, die wir von ihnen gemacht haben. Auf den anschließenden Kilometern wird unser Auto immer lauter und wir stellen fest, dass wir uns Verkleidung des Auspuffs am Boden auf den schlechten Straßen fast abgerissen haben. Wir steuern also die nächste Autowerkstatt an und nach einer halben Stunde, während ein Mechaniker (begleitet von den Blicken und klugen Ratschlägen fünfer anderer) mittels biegen, hämmern und schweißen, die Verkleidung wieder an ihren vorgesehenen Ort befestigt. So können wir dann auch bald wieder weiterziehen…
Im Rodna Gebirge dominieren nicht die wilden Felswände und Gipfelgrate, sondern die großen bis oben hin mit Gras bewachsenen Berge, auf denen die Wolken mit ihren dahinfliegenden Schatten eigenartige Formen malen und der Wind den Kamm wie ein grünes wildbewegendes Meer wogen lässt.
Diese Region hier ist eine Hirtendomäne, in welcher der Tourismus noch kaum Einzug gehalten hat. Allerorts prägen friedlich grasende Schafherden das Bild und wir genießen einen unglaublich schönen Lagerplatz mit berauschender Stille.
Als wir am Nachmittag wieder zu unserem Camp zurückkehren, ist gerade eine Herde Kühe dabei, unsere Zeltleinen und die zum Trocknen aufgehangenen Handtücher zu verspeisen. Am Abend gibt´s Würstchen und Knüppelbrot vom Lagerfeuer – einfach nur urig und gemütlich. Und dazu der Duft von brennendem Holz… herrlich!
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