Rumänien – Durch die wilden Karpaten
~ Teil 2 ~
Am nächsten Tag fahren wir weiter durch diese wunderschöne, bäuerlich geprägte Gegend. Allerorts sind kleine Stände am Straßenrand aufgebaut, auf denen verkauft wird, was der eigene Garten oder das kleine Feld hergibt. Saftige, süße Melonen, Zwetschgen, dunkelrote Tomaten voller Geschmack. All das wechselt für ein paar rumänische Leu den Besitzer. Auch sehr leckeren rumänischen Honig können wir am Straßenrand erstehen.
Der Stausee Izvorul Muntelui, der auch Lacul Bicaz genannt wird, ist der größte Stausee Rumäniens und in den wasserarmen Kalksteingebieten ein seltener Anblick. Wir haben die Hoffnung, hier vielleicht irgendwo baden gehen zu können, aber wir gelangen nirgends wirklich ans Wasser heran. Die einzige Stelle ist felsig und so verbaut, dass wir unseren Veruch dann doch aufgeben.
Ab jetzt wollen wir mitten durchs Gebirge fahren und uns auf kleinen Fahrwegen mehr oder weniger entlang des Karpatenkammes zirca 200 km nach Süden vorantasten – ein äußerst abenteuerliches Vorhaben, aber davon wissen wir ja noch nichts… 😉 Und wir kommen auch nicht sehr weit, denn aufgrund der äußerst schlechten Schotterpisten landen wir schon bald fast im Straßengraben. Die Räder kreisen in der Luft, wir kommen keinen Millimeter mehr voran, ohne einen Absturz zu riskieren. Nun ist guter Rat teuer – was nun? Doch schon bald taucht unverhofft Hilfe in Form eines rumänischen Waldarbeiters auf, der uns in unserer misslichen Lage sieht und sofort sein Pferd ausspannt, um damit das Auto wieder auf die Straße zu ziehen…
Die Rettungsaktion gelingt, obwohl es kurz den Anschein hat, als ob das Auto doch noch den Hang hinunter kippt und das Pferd mit sich reißt! Wir sind unglaublich dankbar über diese freundliche Rettungsaktion und beschenken den Bauern mit ein paar Kleinigkeiten aus unserern Lebensmittelvorräten, da er kein Geld für seine Hilfe annehmen will. Und dann geht es auch schon weiter, im Schritttempo durch die Berge.
Ein typisches Landschaftsbild sind hier die vielen kleinen Höfe, die sich aus den Tälern bis auf die entferntesten Bergkuppen verteilen, neben dem Haus ein Brunnen, ein kleines Feld, Heuschober und die Kreuze der auf ihrem Grund begrabenen Vorfahren. Von diesen Höfen läuft man in der Regel bis zu drei, vier Stunden zur nächsten größeren Gemeinde, was in der Regel nur am Sonntag zum Kirchgang geschieht.
In den tiefen Wäldern hier in der Gegend gibt es noch Bären, Wölfe und Luchse. Ein Waldarbeiter, der vorbeikommt, während wir unser Zelt aufbauen, will uns vor „Ursus“ warnen und schüttelt nur verwundert mit dem Kopf, als wir dennoch bleiben. Zunächst lassen wir uns von dieser Warnung auch nicht beeindrucken, gehen den normalen Campleben nach (abends gibt es sogar lecker Plinsen mit Marmelade vom Campingkocher) aber als wir abends im Zelt liegen und den Geräuschen der Nacht lauschen, verkündet doch jedes Rascheln und Knacken das Näherkommen eines wilden Karpatenbären…
Heute wollen wir wieder eine größere Strecke zurücklegen, ein paar Ziele locken noch im Süden Rumäniens und deshalb brechen wir schon recht zeitig auf. Doch hier oben in den Bergen ist der Zustand der Straße weiter so schlecht, dass ich bequem neben dem Auto her gehen kann und Schmetterlinge und Blumen fotografieren, ohne den Anschluss zu verlieren. Später am Tag fahren wir durch die Bicaz Schlucht, die zu den spektakulärsten und bekanntesten in Rumänien zählt. Die dicht bewaldeten Berge ragen bis zu 300 m neben der schmalen, schlaglochübersäten Straße auf. Der Fluss Bicaz rauscht erst rechts, dann links der Straße durchs Tal. An den breiteren Stellen der Schlucht stehen ein paar Hütten von Souvenirhändlern.
Je weiter wir aus den Bergen hinauskommen und nach Süden vordringen, desto heißer wird es. Es sind über 30°C und im Auto kaum auszuhalten. Wir kommen an Wein- und Pfirsich-Plantagen vorbei, wo wir begierig ein paar saftige Früchte pflücken… Die Weintrauben schmecken wunderbar süß und erfrischen bei der fast unerträglichen Hitze im Auto wenigstens etwas. Aus Kindertagen kennen wir sie noch alle: Telegrafenmäste – etwas, das in Deutschland jedoch schon fast überall der Vergangenheit angehört – hier gehören sie noch zum alltäglichen Straßenbild. Vielerorts können wir hier auch Ziehbrunnen sehen, mit denen die Viehtränken mit Wasser befüllt werden. Diese Brunnen, nutzen ein jahrhundertealtes Prinzip, bei dem mit einem langen hölzernen Hebel ein Eimer in die Tiefe hinabgelassen und mit frischem Grundwasser befüllt wieder hinauf befördert wird.
Auf (endlich einmal wieder) recht guten Straßen legen wir heute rund 300 km zurück. Am Nachmittag geht es wieder einmal auf kleinen staubigen Pisten durch die Dörfer – in einer Gegend, die durch Erdölförderung und Landwirtschaft geprägt ist.
Am Abend erreichen wir nach einigen Irrungen aufgrund der schlechten Ausschilderung unser heutiges Tagesziel: die Schlammvulkane „Vulcanii Noroiosi“ in der Ortschaft Berca. Obwohl diese Miniaturvulkane wie ihre großen Verwandten aussehen, fördern sie keine Lava, sondern – wie der Name schon sagt: Schlamm – aus mehreren Kilometern Tiefe. In Erdölgebieten kommen sie relativ häufig vor, da sie an ähnliche Ablagerungsbedingungen wie dieses gebunden sind: Sedimentbecken in denen relativ schnell große Mengen an wasserreichem, tonigem Material abgelagert wurde. Durch die darüber auflagernden jüngeren Sedimente, stehen diese wasserreichen Schichten unter Druck, steigen durch ihre geringere Dichte auf und können an tektonischen Schwächezonen austreten. Eingeschlossene, aufsteigende Gase wie Methan oder Kohlendioxid reißen den Schlamm mit sich und lassen ihn oft mehrere Meter weit aus dem Krater spritzen. Andere Vulkane blubbern dagegen recht friedlich vor sich hin, wieder andere laufen aus wie der überkochende süße Brei aus Grimms Märchen. Ein ganz besonderes Naturschauspiel im letzten Licht der untergehenden Sonne…..
Unser Zelt haben wir ganz in der Nähe aufgeschlagen und so können wir zum Eischlafen immer wieder das Blubbern und Glucksen der Vulkane hören – neben dem Zirpen der Zikaden, die unsere Nachtmusik spielen.
Am nächsten Morgen bauen wir nach dem Frühstück unser Zelt ab, packen zusammen und fahren noch ein kleines Stück. Wir wollen noch zu einem weiteren Vulkanfeld, das ganz in der Nähe sein soll.
Wir finden das weitere Gebiet ohne große Probleme und sind wie bereits am Vortag fasziniert von diesem eigenartigen Naturschauspiel. Da es so trocken ist, können wir uns die Vulkane ohne Bedenken anschauen und auf der weiten Fläche herumlaufen. Bei Regenwetter sind jedoch nur mit äußerster Vorsicht zu betreten: in den mehrere Meter dicken Schlammschichten sollen schon ganze LKW versunken sein.
Eine eigenartige, karge und vegentationslose Mondlandschaft breitet sich hier in der drückenden Sommerhitze auf mehreren Hektarn Größe vor uns aus – durchzogen von tiefen, durch das Regenwasser gebildeten Erosionsrinnen, in denen die Kinder fast verschwinden können. Obwohl solche Schlammvulkane in Europa nur selten zu finden sind, gibt es weltweit doch viele ähnliche Gebiete.
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