Rumänien – Durch die wilden Karpaten
~ Teil 3 ~
Natürlich besuchten wir in Transsilvanien die berüchtigte „Draculaburg“ in Bran. Ungeachtet der Tatsache, dass die Person, die für Dracula Pate gestanden hat, ein walachischer Fürst namens Vlad Tepes (sein Vorgänger hieß Dracul), diese Burg vermutlich nie gesehen hat, ist dort ein beachtlicher touristischer Rummelplatz entstanden. Zu verdanken ist dies dem „Dracula-Erfinder“ Bram Stoker, den die Braner Burg zum Schreiben seiner Vampirgeschichte inspiriert hat. Der „echte“ Dracula hatte, wie alle walachischen Fürsten, seinen Wohnsitz in der fürstlichen Burg in Targoviste. Der Umgang mit seinen Feinden, die zur Abschreckung auf Pfähle gespießt wurden, brachte ihm den Ruf besonderer Grausamkeit ein.
Die Burg Bran, wie man sie heute besichtigen kann, wurde im Jahre 1377 auf Geheiß des ungarischen Königs zur Sicherung der ungarischen Reichsgrenze und zu Überwachung des Bran-Passes errichtet und wurde im Lauf der Jahrhunderte durch die verschiedenen Eigentümer immer wieder verändert und erweitert. Ein Besuch der Burg mit ihrem Labyrinth aus kleinen Kammern, Sälen, Fluren, Treppchen und Wehrgängen ist auf jeden Fall lohnenswert. Im Anschluss kann man sich auch noch das ethnografische Museum im Schlosspark ansehen, in welchem typische Bauten und historische Alltagsgegenstände der Gegend um Bran für die Nachwelt erhalten werden.
Am frühen Nachmittag geht es wieder mit dem Auto weiter, zunächst weiter gen Westen, bis wir schließlich nach Norden auf die Transfagaras einschwenken, um das Fagaras-Gebirge zu überqueren. Dieses Gebirge ist ein gewaltiger, steiler Grenzwall zwischen Transsilvanien und der Walachei, aufgebaut aus dunklem, graugrünem Schiefer – eine Wetterscheide und Wetterküche zugleich. Die Transfagaras-Straße, ein Prestigeprojekt Ceausescu´s überquert die Fagaras Berge und erreicht in der Nähe der Tunnel zum Balea See in einer Höhe von 2.042 m ihren höchsten Punkt. Nachdem wir uns in endlosen Haarnadelkurven zum Pass hinauf geschraubt haben, zum Teil sorag an noch recht mächtigen Schneeresten an schattigen Stellen, steigen hier kurz aus und laufen ein paar Schritte…
Für unser Nachtlager finden wir heute ein schönes Plätzchen in einem Eichenwald. Doch schon, als wir unser Abendbrot zubereiten, kommt ein verwilderter Hund immer näher und lässt sich nur schwer vertreiben. Da ich Angst habe, er könnte vielleicht eines der Kinder beißen, verziehen wir uns recht bald ins Zelt. In der Nacht werden es scheinbar immer mehr Hunde, die es auf eventuelle Essenreste abggesehen haben und draußen beginnt direkt neben mir ein wütendes Bellen und Knurren, das einem das Blut in den Adern gerfrieren lässt. Das Knurren hält noch lange draußen an und ich bekomme kaum ein Auge zu, schließlich ist zwischen mir und den Hunden nur eine dünne Zeltwand aus Stoff – nicht gerade vertrauensfördernd, vor allem wenn einem dann wieder die wüstesten Horrorgeschichten von verwilderten, tollwütigen Hirtenhunden einfallen, die man im Vorfeld der Reise so gehört hat.
Am Morgen jedoch sind die Hunde verschwunden und wir können in aller Ruhe frühstücken und zusammenpacken. Wir beschließen, wieder einmal die großen Hauptstraßen zu meiden und uns noch eine Weile auf den kleinen Bergstraßen im Fagaras aufzuhalten. So kommen wir einmal mehr in den Genuss, die klitzekleinen Bergdörfer abseits des Tourismus kennenzulernen und in aller Ursprünglichkeit zu erleben.
Nachdem der Tag heute wieder einmal sonnig uns sehr heiß war, zieht es sich gegen Abend völlig zu und wir bauen unser Zelt schon während der ersten Regentropfen auf. Es regnet dann auch die ganze Nacht hindurch, so dass am nächsten Morgen ein kleiner Bach durch unser Vorzelt fließt. Zum Glück ist es in den Schlafkabinen trocken geblieben. Wir frühstücken ersteinmal in Ruhe und packen dann unsere Sachen zusammen. Das Zelt müssen wir dann leider auch im Regen abbauen und klitschnass zusammensacken.
Heute zeigen die Berge deshalb nur ein tristes, graues Gesicht und es kommt keine so rechte Freude am Fahren auf. Wir sehen hier auch einige Höfe, weit ab von jeglicher Ortschaft, zum teil so verwildert, dass man sich fragt, wie hier Menschen hausen können, aber wahrscheinlich trägt das miese Wetter zu diesem Eindruck bei.
Gegen Nachmittag lichtet sich jedoch der Himmel und als wir auf eine Berghütte stoßen, die gerade neu gebaut und zum Teil noch nicht ganz fertiggestellt ist, beschließen wir, eine Nacht hier zu verbringen um unsere Ausrüstung zu trocknen und den „Luxus“ eines Bettes und einer warmen Dusche zu genießen. Die Zimmer sind sehr spartanisch eingerichtet, kein Fußboden, nur ein paar Teppiche auf blankem Beton sowie ein paar Betten aus Brettern zusammengezimmert…aber immerhin: ein kleiner Kohleofen, den wir auch gleich anfeuern, denn es ist sehr frisch heute hier oben in den Bergen.
Zum Abendbrot lassen wir uns heute bewirten: Es gibt Mămăligă, einen aus Maisgrieß hergestellten festen Brei, der in Rumänien, Moldawien und anderen Teilen des Balkans zur regionalen Kochtradition gehört. Besonders in Rumänien ist er ein Nationalgericht. Dazu gibt es Rahm und Schafskäse. Mit all dem kann ich mich jedoch nicht so recht anfreunden – zu sehr war ich damals noch das typisch deutsche Essen gewohnt. Heute würde es mir sicher sehr gut schmecken, gehören doch Polenta und Schafskäse bei mir inzwischen fast zur Standardküche.
Rumänien hat durch seine Karstgebiete auch ein weites Höhlennetz mit ungefähr 11.000 Höhlen, von denen viele für Besucher zugänglich sind. Wir wollen uns eine der bekanntesten Höhlen der Westkarpaten ansehen: die Pestera Ursilor (die Bärenhöhle). Sie befindet sich in der Gemeinde Chiscani, im Kreis Bihor. Die Höhle wurde erst im Jahr 1975 entdeckt. Nach einer Sprengung im über ihr liegenden Steinbruch, entstand ein Riss in ihrer Decke, durch die sich der Sprengmeister an einem Seil in die die Tiefe hinabließ. Neben einem unglaublichen Reichtum an Tropfsteinen wurde in ihr auch das vollständige Skelett eines Höhlenbären (Ursus Spelaeus) entdeckt, der hier vor 15.000 – 20.000 Jahren verendete, gefunden. Die Höhle erstreckt sich mit rund zwei Kilometern Länge auf zwei Etagen. Die oberen Bereiche kann man bei einer Führung besichtigen, die unteren mit 700 Metern Länge, ist jedoch nur für Forschungszwecke zugänglich. Eine Führung durch die Höhle dauert zirka 45 Minuten und eröffnet uns einen unglaublich faszinierenden Einblick in die Unterwelt.
Nach der Besichtigung der Bärenhöhle geht es nun weiter gen Heimat in Richtung der ungarischen Grenze und wir erleben einen weiteren herrlich sonnigen Tag in diesem schönen Land.
An unserem letzten Tag in Rumänien wollen wir uns noch eine Eishöhle anschauen. Dazu fahren wir von der Hauptstraße einen schier endlos langen Schotterweg ins Gebirge hinein, immer mit bangem Blick auf die Spritanzeige, denn unser Tank ist schon fast leer und wir müssen ja wieder zurück zur nächsten Ortschaft, um tanken zu können. Am Ende dieser Sackgasse angekommen, wo es mit dem Auto nicht mehr weitergeht, bauen wir zunächst unser Zelt auf, damit dieses bis zum Abend noch trocknen kann, ist es doch noch etwas feucht vom letzten Regentag.
Dann brechen wir am Nachmittag zur Höhle auf. Es geht einen kleinen, mit Sonnenflecken beschienenen Waldweg entlang, stetig bergan. Hier finde ich einen kleinen weißen Kalkstein, der perfekt wie ein kleiner Mini-Mt. Everest geformt ist und stecke ihn in meine Hosentasche. Noch heute liegt er bei meinen Steinen auf dem Balkon – dieser erste Stein begründete eine inzwischen liebgewordene Tradition, aus jedem Urlaub (mindestens) einen weiteren schönen oder interessanten Stein mitzubringen.
Als wir am Zustieg zur Höhle, die am Grund einer Doline liegt, ankommen, machen wir noch ein kleines Picknick, bis wir uns auf den Weg nach unten begeben. Der Weg hinab zum Höhleneingang wird auf der verrosteten, wackeligen Eisenstiege ohne Geländer zur Zitterpartie und lässt einen fast das strenge deutsche Sicherheitsreglement vermissen – mit meiner Tochter in der Kraxe auf dem Rücken, ist mir wirklich etwas mulmig zumute. Aber wir kommen letztlich heil unten an und stehen vor einem weiten Höhleneingang aus dem uns eiskalte Luft entgegenschlägt. Wir sind jedoch ein klein Wenig enttäuscht, denn das Innere der Höhle ist nicht beleuchtet und auf dem kurzen, ebenfalls sehr maroden Gitter-Steig, auf dem wir uns mehr schlecht als recht vorantasten, kann man die Schönheit der Eisgebilde nur erahnen, zumal ich auch keine Stirnlampe dabei habe…
Den restlichen Nachmittag verbringen wir noch am Zelt in der Sonne mit Spielen, Kochen und Wäsche trocknen und abends am Lagerfeuer irgendwie auch schon einem kleinen Bisschen wehmütigem Abschiednehmen von einem wunderbaren Land.
Abenteuerlich war dann auch unsere Rückfahrt am nächsten Morgen. Wir hatten ja so gut wie keinen Sprit mehr und wussten nicht, wann wir die nächste Tankstelle finden würden. So rollten wir fast ohne Motorantrieb – immer mal wieder starten, Schwung holen und rollen lassen… (zum Glück ging es zumeist bergab) über 15 km bis zum nächsten Ort, um es mit den letzten Tropfen zur Tankstelle zu schaffen.
Unser letzter Urlaubstag nag sich dem Ende zu mit einem Camp auf einer herrlich duftenden Blumenwiese, voller Wärme, goldenem Sonnenuntergangslicht, Grillenzirpen und voller schöner Erlebnisse…
Es war eine Reise zu Orten, wo Zeit nur aus Vergänglichkeit besteht – vergessene Orte, wo man von einem zum nächsten Tag lebt, wo man trotz oder gerade wegen der Armut die Lust am Leben nicht verloren hat, wo die unübersehbaren Boten des Wohlstandes keine Bedeutung haben und wo einzig der Rhythmus der Natur den Alltag bestimmt.
Was in Erinnerung bleibt, sind wunderbare, sommergoldene Naturlandschaften, faszinierende Einblicke ins Innere eines sagenumwobenen Gebirges und Begegnungen mit gastfreundlichen Menschen, welche scheinbar außerhalb der Zeit leben und die trotz ihrer Armut die Freude am Leben und vor allem die Zufriedenheit mit dem Gegebenen nicht verloren haben und somit irgendwie dann doch reicher sind, als manch einer von uns. Rumänien, ich komme wieder. Irgendwann…
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