Mit dem Fahrrad einmal rund um Rügen
~ Tag 4 ~
Datum: Donnerstag, 28.04.2011
Wetter: 16 °C, sonnig, stürmischer Wind aus Nordost
Tageskilometer: 56,1 km (Prora – Binz – Sellin – Lobbe – Moritzburg – Seedorf – Freetz)
Reine Fahrtzeit: 04:05:14
Durchschnittsgeschwindigkeit ohne Pausen: 13,7 km/h
Durchschnittsgeschwindigkeit mit Pausen: 5,5 km/h
Höhenmeter im An- & Abstieg: 418 m / 413 m
Minimale/Maximale Höhe: 0 m / 73 m
Unterkunft: Zelt
Ich bin auch heute wieder zeitig munter, bleibe aber diesmal nicht mehr lange liegen, sondern mache um kurz nach 6 Uhr einen kleinen Strandspaziergang vor dem Frühstück. Es ist immer noch sehr stürmisch und die Wellen tragen weiße Schaumkronen, während sie tosend auf den Strand zurollen. Der Strand besteht hier wieder aus schönem feinen Sand, nur einige wenige größere Steine liegen vereinzelt darauf. Es ist ja gerade Ostern gewesen und ich finde drei schöne „Osterei-Steine“ für meine nächste Osterdeko. Beim Spazieren mit Blick nach unten sehe ich dann natürlich auch eine größere Welle nicht kommen und hole mir promt nasse Hosen. Im Camp hänge ich sie deshalb über einen Ast und der Wind trocknet sie wieder, während ich noch frühstücke und meine Sachen zusammenpacke.
Um 09.30 Uhr schwinge ich mich in den Sattel und schaue mir als erstes den riesigen Gebäudekomplex von Prora an, der nicht zu Unrecht den Namen „Koloss von Prora“ trägt. 20.000! Menschen sollten laut ursprünglicher Planung hier gleichzeitig Urlaub machen können. Im Moment werden die seit Jahren dem Verfall preisgegebenen Bauten gerade saniert und werden wohl bald wieder zu neuem Leben erweckt.
Als ich anschließend weiter nach Binz fahre, kommt mir ein Fernradler aus dem Allgäu (ein ehemaliger Dresdner) entgegen, der gerade auf dem Weg zur Fähre nach Trelleborg ist. Er möchte die nächsten 7 Wochen durch Schweden und Norwegen bis zum Polarkreis und zurück radeln, bevor er dann im Juni mit seiner Frau auf dem Tandem nach Italien fährt. Wir unterhalten uns noch ein Weilchen, bevor ich etwas schweren Herzens in die entgegegengesetzte Richtung davonfahre. Wie gern wäre ich ebenso in Richtung Norden aufgebrochen und hätte die Zeit für einen solch langen Trip. Aber meine knappe Woche „kinderfrei“ (die Mädels sind bei der Oma), geht schon fast dem Ende zu und so radle ich weiter gen Süden durch die schönen Seebäder Binz, Sellin, Baabe und Göhren.
In Binz hole ich mir beim Bäcker eine Fruchtschnecke und einen Latte Macchiato und setze mich mit meinem Buch vor dem Kurhaus mit Blick aufs Meer in die Sonne – es ist ja schließlich Urlaub! Ich beobachte die Leute, die – zumeist dick gegen den Wind eingehüllt – am Strand entlang wandern, schaue den akrobatischen Kunststücken der Möwen zu, die sich von Kindern in der Luft mit Brotkrumen füttern lassen und lese ein paar Seiten in meinem Buch, bevor ich gegen 12.30 Uhr wieder weiter fahre.
Ich entscheide mich trotz des laut Hinweisschild schlecht zu befahrenden Radweges nach Sellin für diesen, da er mit seiner Routenführung durch den bewaldeten Höhenrücken von Granitz eine interessantere Alternative zur Landstraße scheint. Stellenweise ist der gut ausgebaute Weg durch den Sand+Schotter-Belag wirklich nur sehr mühsam zu befahren, zumal es ständig auf und ab geht, aber es ist dennoch eine schöne Strecke. Einen kurzen Halt mache ich noch am Schwarzen See, der wirklich idyllisch mitten im Wald liegt, bevor ich nach Sellin hinein radle, wo ich vor Jahren schon einmal mit den Kindern und meiner Oma Urlaub gemacht habe.
Es geht anschließend immer weiter nach Süden durch Baabe und Göhren bis nach Lobbe, wo ich auf dem wunderschön gelegenen Campingplatz meine Wasservorräte in der Hoffnung auffülle, irgendwo in Richtung Thiessow noch einmal mein Zelt direkt am Strand aufschlagen zu können. Einen tollen Platz am schneeweißen Sandstrand entdecke ich dann auch bald, aber nachdem ich eine Weile dort gesessen und den Surfern & Kiteboardern zugesehen habe, bin ich durch den Sturm so durchgefroren, dass ich beschließe, doch noch etwas weiter zu fahren und mir einen windgeschützteren Fleck für mein Zelt zu suchen.
Da es in südlicher Richtung vermutlich noch offener und stürmischer wird, beschließe ich umzukehren und biege in Lobbe nach Westen in Richtung Alt Reddewitz ab. Und endlich, endlich habe ich einmal Rückenwind, der mich manchmal sogar bergan schiebt. Diese landwirtschaftlich geprägte, südöstliche Ecke Rügens, durch die ich nun fahre, ist für mich die landschaftlich reizvollste der ganzen Insel. Waldbestandene Hügel wechseln sich ab mit Feldern, Kopfweidenalleen, Boddenstrand und schönen kleinen Dörfern, die oft aus reetgedeckten Häsern bestehen, und mit liebevoll gepflegten Grundstücken umgeben sind. Ländliche Idylle pur!
Von Alt-Reddevitz geht es über eine schmale Sandpiste bis Baabe auf offenem Gelände. Und das wieder einmal genau gegen den stürmischen Ostwind, was unglaublich anstrengend ist und mein Vorankommen auf ein Schneckentempo reduziert. Oft steige ich vom Rad und muss schieben, wenn die Böen zu stark oder die Sandpiste zu weich wird. Es ist einfach unglaublich anstrengend.
Endlich in Baabe angekommen, verfahre ich mich erstmal ein kleines Stück. Dass ich hier einen Seitenarm des Boddens mit Verbindung zum Selliner See überqueren muss, nehme ich in meiner kleinmaßstäbigen Übersichtskarte, nach der ich dank des gut ausgeschilderten Radwegenetzes auf Rügen fahren kann, nicht wirklich wahr. Dennoch wird mir, als ich auf den See zuradele klar, dass hier die Richtung nicht mehr stimmen kann und ich fahre zurück. Aber es zeigt sich weit und breit keine Brücke, um auf die andere Seite zu gelangen. Schließlich bemerke ich das kleine Wartehäuschen mit der Aufschrift Ruderfähre nach Moritzdorf. Ein winziges Ruderboot liegt davor. Ich schaue noch etwas ungläubig, aber laut Schild kann man hier samt Fahrrad übergesetzt werden. Und tatsächlich, trotz meiner Proteste, das Rad sei mit dem ganzen Gepäck zu schwer (ich schätze mal, es wog knappe 50 kg) und ich würde es lieber abladen, hievt der Fährmann es samt Gepäck in das kleine Ruderboot, setzt mich über und wuchtet es dann auf der anderen Seite auch wieder auf den Steeg. Unfassbar!
Weiter geht es durch Seedorf, einen wunderschönen kleinen Ort, dessen Verbindungsarm zwischen Neuensiener See und Bodden durch eine Brücke zum Glück etwas einfacher zu überqueren war. Der Radweg führt nun zunächst einmal wieder durchs Binnenland, während er eine kleinere Halbinsel quert. Im Wald bei Dummertevitz gelegen, sehe ich mir die „Ziegensteine“ an. Sie sind der Rest einer Gruppe von vier jungsteinzeitlichen Hühnengräbern, deren Grabkammern ehemals mit Findlingen abgegrenzt wurden.
Ab Groß Stresow geht es noch ein Stück am Bodden entlang, bevor ich bei Freetz gegen 19.30 Uhr an einem Rastplatz, ein wunderschönes und vor allem windgeschütztes Plätzchen für mein Zelt direkt am Bodden finde.
Der Himmel hat sich inzwischen leider etwas zugezogen, aber es bleibt trocken, während ich mein Camp aufschlage. Ich koche mir gemütlich mein Abendbrot und lese danach noch eine Weile mit Blick auf den Bodden, bis ich mein Zelt schließe und einschlafe.
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