Zu Pfingsten konnte man auf der Elbe ein ungewöhnliches Gefährt beobachten – ein nach historischer Bauart montiertes Floß. Abgelegt wurde am 5. Juni in Prossen und die Mannschaft fuhr innerhalb von vier Tagen mit Zwischenstops in Pirna und Dresden elbabwärts nach Meißen.
Das Floß maß fünfzehn mal siebeneinhalb Meter (30 Raummeter Fichte) und wurde von der Flößermannschaft Meißen erbaut, die seit dem Jahr 2000 immer zu Pfingsten traditionell die Elbe entlang flößt – natürlich etwas komfortabler, als es dazumal üblich war (mit Gulaschkanone und Bierbar). Ich habe mich sehr gefreut, dieses Gefährt sehen und fotografieren zu können – schließlich ist das Flößerhandwerk auf der Elbe seit den 1950er-Jahren ausgestorben.
Schon längst wollte ich meine Fotos vom Elbe-Hochwasser 2013 bearbeiten und in den letzten Tagen habe ich diese – zum Jahrestag sozusagen – noch einmal durchgeschaut und ein paar davon möchte ich Euch zusammen mit einem kleinen rückblickenden Bericht aus meiner Sicht hier heute zeigen. Zum Zeitpunkt des Hochwassers hatte ich leider kein Objektiv für meine Nikon (dieses besteht seit meinem letzten Norwegen-Urlaub nur noch aus Scherben) und musste deshalb mit der Knipse meiner Tochter oder meinem Handy fotografieren. Entschuldigt also bitte die teils arg schlechte Qualität der Aufnahmen.
Sonntag, 2. Juni 2013
Nach einem schon im Vorfeld sehr verregneten und kühlen Mai gießt es nun schon tagelang in Strömen, so dass die Elbe heute bereits die Hochwasserwarnstufe 3 erreicht. Am Abend wird bei einem Pegelstand von 6,19 m der Fährbetrieb Königstein-Halbestadt eingestellt und unsere Fähre in den sicheren Hafen nach Prossen verbracht. Da wir kein Auto besitzen, sind wir ab diesem Zeitpunkt sozusagen von der Außenwelt abgeschnitten. Die Kinder freut es, denn am nächsten Morgen brauchen sie nicht zur Schule gehen.
Montag, 3. Juni 2013
Den ganzen 3. Juni hindurch regnet es weiter und die Unruhe der Elb-Anwohner steigt. Seit im Jahr 2002 das Jahrhundert-Hochwasser unvorstellbare Schäden angerichtet hat, ist man auf das Schlimmste gefasst. Gespannt verfolgen wir die Pegelstände und Nachrichten, auch wenn wir selbst nichts zu befürchten haben, so hoch wie unser Haus über der Elbe liegt. In der Nacht steigt das Wasser bereits über die Straßen am Reißiger Platz, wie man auf dem Bild der Webcam gut sehen kann.
Dienstag, 4. Juni 2013
Der morgendliche Pegelstand liegt heute in Schöna bereits bei 8,72 Meter (Alarmstufe 4). Von unserem Balkon aus können wir zusehen, wie die Wassermassen bereits die Straßen, Wohnhäuser und Geschäfte der Innenstadt fluten. Vom Pavillion unten an der Elbe schaut nur noch das Dach hinaus. Um 11.15 Uhr fällt schließlich der Strom und damit auch die Heizung bei uns aus. Ab sofort gibt es nur noch Kaltwasser und Kerzenlicht.
Da ohne Strom jedoch der Kühlschrank nicht mehr läuft, taut auch mein Frost ab. Die nächsten Tage müssen wir nun sehen, dass wir hauptsächlich essen, was schnell verdirbt. Leider viel zu viel für uns, da zu den üblichen Vorräten im Frost bereits für meine am Wochenende geplante Geburtstagsfeier eingekauft war. Den Großteil der verderblichen Lebensmittel gebe ich deshalb heute meiner älteren Tochter mit, die am Morgen von den Großeltern über Pirna/Waltersdorf hinaus „evakuiert“ wird. Die Kleine bleibt bei mir.
Mittwoch, 5. Juni 2013
Der Pegel der Elbe hat heute die 10 m-Marke überschritten. Die S-Bahn, die noch bis gestern Abend im Stundentakt fuhr, stellt heute Morgen ebenfalls den Betrieb ein. Bis hinauf zu den Bögen der Eisenbahnbrücke in Königstein steht nun schon das Wasser. Ein trauriger Anblick hinüber in die Stadt. Wie muss sich das anfühlen, wenn es das eigene Haus, die eigene Wohnung oder das eigene Geschäft trifft?
Da es heute zumindest endlich aufgehört hat zu regnen, wandern wir gegen Mittag hinauf zum Lilienstein, um uns ein Bild von der Überschwemmung machen zu können. Die ganze Zeit liegt eine eigenartige ruhige Stimmung in der Luft, fast als hielte die Natur den Atem an. Das Ausmaß der Überflutungen in Kurort Rathen, Königstein und Bad Schandau ist von hier oben aus betrachtet einfach erschreckend – und das Wasser steigt noch immer! Nachrichten können wir nur noch von anderen per Handy erhalten, um den Akku zu schonen bleiben die Gespräche jedoch kurz. Überall brechen Dämme, Menschen werden evakuiert und Ortschaften geflutet.
Oben auf dem Lilienstein treffen wir noch unsere Nachbarn Doris und Steffen, die den selben Gedanken hatten, von hier oben einen Blick über die Elbe zu werfen. So verbringen wir ein paar Stunden draußen, bevor uns der Hunger wieder heim treibt. Gekocht und gegessen wird auf dem Balkon – zum Glück ist es ja recht warm.
Da uns langsam Brot, Müsli und frisches Obst und Gemüse ausgehen und auch der Brennstoff für meinen Benzinkocher knapp wird, bin ich sher froh, dass am Nachmittag ein Freund aus Dresden vorbeikommt, mit mir einkaufen fährt und auch Brennstoff mitbringt.
Am Abend gehen wir noch einmal kurz die Straße hinab an die Elbe – das Wasser hat hier bereits das Steingut erreicht. Vom Pavillion schaut nur noch die Spitze des Daches aus dem Wasser. Irgendwie makaber wirkt später das wunderschöne Abendlicht über Königstein, das den Ort trotz der braunen Fluten fast friedlich erscheinen lässt.
Donnerstag, 6. Juni 2013
Der Elbepegel erreicht heute – an meinem Geburtstag – mit 10,64 m seinen Höchststand (zum Vergleich: am 16. August 2002 waren es 12,04 m). Das Wetter bleibt auch heute schön und da ich nun nicht mit meiner Familie feiern kann, hat mich meine Freundin Uli in Prossen zu sich eingeladen, um trotz allem mit ihr anzustoßen. Also backe ich am Vormittag noch ein paar „Buttermilchdinger“ auf dem Campingkocher, packe eine Flasche Sekt in den Rucksack und mache mich mit meiner Tochter auf den Weg. Wir laufen hinauf zur Ebenheit und dann über die Sellnitz nach Prossen. Da der Lachsbach in Prossen jedoch ebenfalls enorm über die Ufer getreten ist, müssen wir am Hang noch steil über einige Gärten steigen, bis wir diesen weiter oben über eine Brücke überqueren können. Durch einige Gärten auf der anderen Seite gelangen wir dann trockenen Fußes zu meiner Freundin.
Unsere Töchter spielen den ganzen Nachmittag ausgelassen zusammen und beschließen ganz einfach ohne uns, dass wir heute hier übernachten. Da wir darauf jedoch nicht vorbereitet sind, laufe ich noch einmal alleine zurück nach Hause, um ein paar Sachen zu holen. Dazu auch die Garnelen, die ich heute Abend zubereiten wollte und aufgetaut zuhause stehen. Diesmal wähle ich jedoch den Weg auf der Straße entlang, die ich sogar größtenteils trockenen Fußes entlang gehen kann. Erst kurz vor den ersten Häusern vor Halbestadt wird das Wasser zu tief zum durchwaten.
Zurück nach Prossen wähle ich schließlich den „Mittelweg“ und laufe auf dem halben Elbhang zwischen den Hütten einen kleinen Trampepfad entlang.
Es wird dann ein sehr gemütlicher Abend bei Uli. Wir werfen die Garnelen und einige Bratwürste auf den Grill und ein paar Flaschen Bier sind auch vorhanden. So gibt es doch noch eine schöne kleine Feier.
Freitag, 7. Juni 2013
Das Wasser der Elbe sinkt endlich, aber mit einem schnellen Rückgang ist laut der Medienberichte nicht zu rechnen. Nur langsam wird die 10 m-Marke wieder unterschritten. Am Abend lassen wir uns deshalb von meiner Schwägerin, die in Dresden arbeitet abholen und uns mit zu sich nach Hause nehmen, wo auch meine Oma wohnt. Dort werden wir das Wochenende mit meiner Familie verbringen.
Dienstag, 11. Juni 2013
Am Dienstagmorgen nimmt uns meine Schwägerin wieder mit nach Königstein, wo wir nun schauen wollen, wie weit das Wasser schon zurück gegangen ist. Auf dem Weg von der Ebenheit nach unten sehen wir jedoch, derart viele Blätter und Äste auf dem Boden, dass wir uns fragen, was hier passiert ist. Der Weg ist auch dermaßen ausgespült, dass hier wohl ein heftiges Unwetter gewütet hat. Wir erfahren, dass am 9. Juni ein heftiger Hagelsturm über Königstein niedergegangen ist, der sämtliche Pflanzen in den Gärten zerstört hat. Sämtliche Obstbäume verloren ihre Blüten, so dass es im Herbst keinen einzigen Apfel an meiner alten Streuobstwiese hing. Bis heute sieht man auch überall im Wald abgestorbene Kiefern, wo sie noch nicht geschlagen wurden. Grund dafür sind die bis 5 cm großen Hagelkörner, die zu unzähligen Rindenverletzungen im Kronenbereich führten. Die Kiefern versuchen dann mit Harz als Wundverschluss, diese Stellen zu verschließen. Sind jedoch zu viele solcher Wunden vorhanden, kommt es zum vollständigen Unterbrechen der lebenswichtigen Leitbahnen und der Baum vertrocknet regelrecht. Auch die Pflanzen in meinem Garten blieben nicht verschont. Selbst der Hibiskus auf meinem überdachten Balkon hatte kein einziges Blatt mehr! Alles war zerfleddert und sämtliche Gefäße wie Windlichte wassergefüllt.
Deutlich wird nun auch langsam das ganze Ausmaß der Zerstörung durch das Hochwasser. Wo die braunen Fluten sich bereits zurückgezogen haben, kommt Schlamm, Müll und zerstörtes Hab und Gut zum Vorschein. Überall wird gesäubert und geräumt. Aus den Nachrichten erfährt man nun, wo der Strom wieder vorhanden ist, stetig neue Schreckensnachrichten, denn das Hochwasser hat sich nun in den Norden verlagert. Die Sendung BIWAK bringt einen Beitrag zum Hochwasser in der Region, der sich hier noch abrufen lässt.
Am 14. Juni ist der Elbpegel schließlich wieder soweit gesunken, dass der Fährbetrieb wieder aufgenommen wird. Nun können auch meine Kinder wieder zur Schule gehen, wo bereits seit dem 12. Juni wieder unterrichtet wird. Es dauert jedoch noch lange, bis die Schäden beseitigt sind und langsam wieder Normalität einkehrt.
Vor ein paar Tagen hat meine Jüngste im Keller eine kleine Spitzmaus (wahrscheinlich eine Gartenspitzmaus) aufgelesen und bevor sie diese wieder in die Freiheit entließ, habe ich für sie zur Erinnerung ein paar Fotos der kleinen „Speedy“ geschossen.
Beim Stöbern im Archiv sind mir letztens einige Bilder wieder in die Hände gefallen, die ich Euch gerne noch zeigen möchte, auch wenn sie schon etwas älter sind. So zum Beispiel diese Aufnahmen von den Schwalbenjungen, die meine Töchter im Jahr 2011 aufgezogen haben.
Hier in Königstein bauen jedes Jahr Rauch- und Mehlschwalben ihre Nester an den Bögen der Eisenbahntrasse. Irgendwann einmal fanden dann meine Töchter auf dem Heimweg von der Schule zwei junge Mehlschwalben, deren Nest auf die Straße gefallen war. Noch fast nackt, winzig und zitternd wollten sie die Jungvögel nicht einfach dem sicheren Tod überlassen und brachten sie mit nach Hause. Was blieb mir also anderes übrig, als ihnen auf ihr Bitten und Betteln hin zu erlauben, diese aufzuziehen, auch wenn ich keine große Hoffnung hegte, dass sie dies auch schaffen.
Voller Eifer fingen meine Mädels in den nächsten Tagen Insekten, kauften Mehlwürmer (die sie mit einem Taschenmesser köpften, damit die Jungvögel nicht durch deren kräftige Kiefer verletzt würden) und fütterten die beiden Federbällchen fast ununterbrochen. Diese forderten auch bald immer lautstärker ihr Futter ein – ihr könnt Euch kaum vorstellen, welchen Rabatz diese Winzlinge Tag und Nacht veranstalteten. Quingel und Birly – so wurden sie schließlich getauft – wuchsen in den nächsten Wochen zu kräftigen und gesunden Vögeln heran. Bald schon drehten sie ihre ersten Flugrunden durch unser Wohnzimmer und zeigten dabei ganz unterschiedliche Charaktere. Birly war „die“ Ruhige, ließ sich ohne Probleme auf die Hand nehmen, streicheln und füttern. Quingel war dagegen „der“ Draufgänger. Ständig flatterte er durch das Zimmer und gegen die Scheiben, war ein echter Nimmersatt und saß kaum mal eine Minute an einem Fleck. Ständig flog er ins Regal oder landete auf der Lampe.
Irgendwann kam er dann, der Tag des Abschiedes. Wir hatten unseren Ostseeurlaub fest geplant und konnten uns nicht mehr länger um die beiden kümmern. Also brachten die Mädels die beiden Schwalben in eine Tierhandlung, deren Besitzer auch selbst schon einige Vögel aufgezogen hatte. Er sorgte noch einige Tage für die beiden Jungen und entließ sie dann in die Freiheit…