Trampend von Tromsø auf die Lofoten

~ Tag 04 ~

Datum: Montag, 04.10.2010
Wetter: Regen, Sturm, 12 °C

Strecke: Lyngvær –  Borg – Leknes – Haug – Kåkernbrua – Å (~ 110 km)
Unterkunft: Rorbu

Die ganze Nacht hindurch windet und stürmt es – durch die flatternden Zeltwände ist es recht laut und wir schlafen nur unruhig. Zum Weckerklingeln zeigt der erste Blick nach draußen auch keinen berauschenden Anblick. Der Himmel ist recht zugezogen und mit den heranziehenden Wolken sind die Temperaturen auf 12 °C gestiegen. Da das Licht zum Fotografieren nicht gerade herausfordert, bleibe ich liegen und stelle den Wecker noch ein paar mal weiter.

So richtig schönes Morgenrot will sich heute wohl nicht zeigen, nur zartes rosa ist am Horizont zu erkennen, aber gegen 06.45 Uhr stehen wir dann doch auf, um ein paar Fotos zu machen.Wir bestaunen das Panorama direkt vor unserem Zelt, das wir gestern Abend in der Dämmerung direkt am Strand aufgeschlagen haben.

Wir steigen auf eine kleine Anhöhe, von der aus wir einen herrlichen Blick über die Inselkette haben. Unterwegs muss ich immer wieder anhalten, nicht um Luft zu holen, sondern um mir eine Handvoll süßer Blaubeeren in den Mund zu stecken. Überall um uns herum sind hängen die Büsche voller reifer Beeren: Blaubeeren, Preiselbeeren, Krähenbeeren – und das Anfang Oktober! Die Sommer hier oben am Polarkreis sind kurz…

So wunderbar die Aussicht über den Fjord und die Lofoteninseln von der Anhöhe auch ist, es fehlt ein wenig die Sonne und es stürmt so, dass es mich ein paar Mal fast von den Füßen reißt. Schlecht ist das auch beim Fotografieren – das Stativ hat auf den weichen Moospolstern ja grundsätzlich schon meist einen schlechten Stand und wenn es dann doch auf ein paar Steinen mal gut steht, dann rüttelt der Wind mit aller Macht daran… Ich gehe kaum davon aus, dass ich von hier oben eine große Ausbeute mit nach Hause nehmen kann, aber wie man sieht, sind ja doch einige Aufnahmen was geworden.

Auf unserem Rückweg zum Zelt gehen wir noch ein Stück am Felsstrand entlang und ich finde einige toll blau-violett gefärbte Schneckenmuscheln und einen wunderschönen Seeigel, die ich mit nach Hause nehmen möchte, sofern sie den Transport im Rucksack heil überstehen. Und noch einen kleinen Schatz finden wir am Strand – eine Flaschenpost von einem Jungen aus Hamburg, die er von einer Fähre geworfen hatte.

Wieder zurück im Camp gibt es erst einmal Frühstück an einer windgeschützten Stelle hinter einem Felsen: Studentenfutter, Bananenchips und Cappuchino. Micha hat noch dazu drei „Ekel-Brötchen“ von gestern… 😉 Während wir das Camp abbauen kommt sogar noch einmal kurz die Sonne heraus und lässt das Wasser im Fjord türkis aufleuchten. Fast glaubt man sich an einem Strand in der Südsee zu befinden – wenn der Wind nicht wäre… Und auch die goldenen Herbstfarben passen nicht so ganz ins Bild.

Als wir dann gegen 11.30 Uhr endlich alles zusammengepackt haben, ist die Sonne gänzlich verschwunden und so fällt der Abschied von diesem schönen Flecken nicht ganz so schwer. Wir laufen ein Stück weit die Straße entlang, bis wir an einer kleinen Ausbuchtung unsere Rucksäcke ablegen und abwechselnd die am Straßenrand stehen und die Daumen raus halten. Es ist sehr wenig Verkehr und wir stellen uns schon auf eine längere Wartezeit ein. Nur ab und an kommt mal ein LKW mit dann gleich vier, fünf Autos im Schlepptau vorbei, die dann natürlich nicht so einfach anhalten können.

Während zunächst Micha an der Straße steht, setze ich mich zum Tagebuchschreiben an den Straßenrand, wo ich mir einen nassen Po hole und mein Sitzkissen wieder einmal schmerzlich vermisse. Dann nehme ich die Kamera zur Hand und fotogafiere die bunten Herbsthänge um uns herum, auch wenn ein wenig das Licht dafür fehlt.

Wir warten und warten, aber niemand will halten und inzwischen setzt auch noch ein leichter Nieselregen ein. Ich verstaue die Kamera in der Fototasche und gehe, nachdem meine Runde an der Straße vorbei ist, noch ein paar Blaubeeren an den über und über behängten Büschen pflücken.

Nach über zwei Stunden hält dann endlich jemand an, um uns mitzunehmen: Ein Bootsrestaurator aus Borg, der uns dort, rund 35 Kilometer weiter, an einer Bushaltestelle wieder absetzt. Dort müssen wir zum Glück nicht lange warten und werden gleich darauf wieder bis Leknes mitgenommen – allerdings auch wieder nur für 15 Kilometer.

In Leknes nutzen wir jedoch gleich die Möglichkeit, einkaufen zu gehen. Im REMA1000 erstehen wir frische Brötchen und etwas Kaviar-Aufstrich. Ein Blick in die Zeitung verspricht auch wieder besseres Wetter in den nächsten Tagen. Also besorgen wir uns noch Wasser an einer Tankstelle und laufen, im inzwischen strömenden Regen, wieder zurück und an der E10 entlang. Dort werden werden wir auch gleich aufgelesen und von einer netten Frau, die jedoch in eine andere Richtung möchte, nur ein paar Hundert Meter weit gebracht. Dennoch sind wir glücklich, denn hier steht eine Bushaltestelle, in der wir wenigstens trocken stehen, während wir auf unseren nächsten Hike warten. Und auch hier geht es dann wieder sehr schnell, bis wir im nächsten Auto sitzen. Die letzten Strecken waren, soweit man das bei Regen beurteilen kann, eher eintöniges Farmland, aber nun fahren wir wieder durch eine tolle Gegend, die selbst bei Grau in Grau beeindruckt. Türkises Wasser, weiße Sandstrände, schroffe Felsen und herbstbunte Farben – wenn jetzt noch schönes Wetter wäre! Die schönsten Stellen merken wir uns deshalb für die Rückfahrt vor.

Nach 40 Kilometern lassen wir uns dann an der Kåkernbrua aussetzen. Wir wollen uns hier in dieser schönen Gegend einen Platz fürs Zelt suchen und auf die versprochene Wetterbesserung warten. Eine ziemlich bescheidene Idee, wie sich noch herausstellen sollte… Schon als wir aussteigen, werden wir vom Sturm fast von den Beinen gerissen und der Regen peitscht uns waagerecht entgegen. Wir retten uns erst einmal in die Bushaltestelle und ich ziehe mir meine Regenhose an (Michas Wanderhose ist wasserdicht).

Danach laufen wir in Richtung Andopen eine kleine Seitenstraße entlang. Es lässt sich jedoch nirgends ein Plätzchen fürs Zelt finden. Alle halbwegs ebenen Stellen sind auch gleichzeitig kleine Seen, wo wir unser Zelt einfach nicht aufschlagen können – mal ganz davon abgesehen, dass wir eigentlich auch noch einen Windschutz benötigen bei dem Sturm. Es ist einfach aussichtslos und so beschließen wir an einem der Häuser zu fragen, ob wir irgendwo ein trockenes Plätzchen in einer Garage oder ähnlichem bekommen könnten. Wir klopfen dann auch an einer Tür, aber die Frau, die uns öffnet, kann uns nicht wirklich weiterhelfen. Nass und durchgefroren wie wir inzwischen sind, geben wir die Suche auf. Wir laufen zurück zur E10, in der Hoffnung trotz des Wetters und der späten Tageszeit – es ist inzwischen 18.00 Uhr und wird langsam dunkel – doch noch einmal mitgenommen zu werden und uns irgendwo eine trockene Unterkunft zu mieten.

Als wir dann so klitschnass im strömenden Regenguss wieder an der Straße stehen und die Daumen raushalten, fährt doch tatsächlich jemand an uns vorbei, der das Fenster herunter kurbelt und uns lauthals auslacht – als hätten wir nicht schon ohnehin genug!

Wir haben wieder einmal Glück und werden von einem Mann aufgelesen, der zwar kein Englisch spricht, aber mit seiner Freundin telefoniert, die er dann an Micha weiterreicht. Sie ruft für uns in Å an und organisiert uns dort eine Unterkunft in einer Rorbu. Unser Fahrer schafft uns dann noch die 20 Kilometer nach Å – direkt bis vor die Rezeption der Vermieter. Für 180 NOK p.P. (~ 22,- €) mieten wir uns dann dankbar für eine Nacht ein.

Wir erhalten ein 4-Bett-Zimmer mit Etagenbetten, aber diese sind gemütlich weich. Ich räume erst einmal meinen Rucksack aus und hänge die Nassen Sachen an die Heizung – zu allem Übel ist auch noch die Regenhülle meines Rucksackes undicht. Das Zimmer sieht kurz nach unserem Einzug folglich gleich aus wie ein Schlachtfeld, aber es ist herrlich im Warmen zu sein und die heiße Dusche erst – welch ein Luxus!

Zum Abendbrot, das wir uns ganz entspannt in der kleinen Küche zubereiten können, gibt es heute Spaghetti Carbonara mit angebratener Salami und einen großen Becher heißen Kakao. Während unsere Sachen trocknen und die Akkus laden verbringen wir den restlichen Abend mit Tagebuch schreiben und Bilder sichten, bevor wir es uns in den Betten gemütlich machen.