Lausitzer Heideland

~ Tag 1 ~

Datum: Dienstag, 6. September 2016
Wetter: leicht bewölkt, 22°C

Tageskilometer: 15,2 km (Elsterwerda – Kraupa – Niederlausitzer Heide)
Reine Fahrtzeit: 02:58:17
Durchschnittsgeschwindigkeit ohne Pausen: 5,1 km/h
Durchschnittsgeschwindigkeit mit Pausen: 2,0 km/h
Höhenmeter im An- & Abstieg: 417 m / -412 m
Minimale/Maximale Höhe: 91 m / 153 m

Unterkunft: Zelt am Waldrand in der Heide

Yey, endlich kein Regen mehr! Ich kann also wirklich endlich aufbrechen. Gegen halb 10 stehe ich mit meinem gut bepackten Drahtesesl auf der Fähre, um über die Elbe gen Bahnhof überzusetzen. Wie üblich pfeift hier unten am Fluss ein frisches Lüftchen und dabei fällt mir auf: Ich habe meine Jacke oben in der Wohnung vergessen. Nicht gut, ohne Jacke geht es nicht. Um den Zug nun noch pünktlich zu erwischen, muss ich mich sputen. Ich laufe so schnell es eben geht unseren Berg wieder hinauf, schnappe mir meine Softshell und flitze zurück zur Fähre. Diese liegt zum Glück noch auf unserer Elbseite und so erreiche ich in allerletzter Sekunde mit der einfahrenden S-Bahn den Bahnsteig. Drinnen in der warmen Bahn läuft mir infolge dieser kleinen Sprinteinlage dann der Schweiß gleich in Bächen vom Körper. Ganz toll! Das ist ja wieder ein grandioser Cora-typischer Start!

Dafür läuft das Umsteigen in Dresden wenigstens glatt über die Bühne. Ausnahmsweise funktionieren sogar alle Aufzüge, so dass ich mein Gepäck nicht einmal vom Rad nehmen muss und gleich in die nächste Bahn rollen kann. Sogar in Elsterwerda, wo ich bisher immer Treppen steigen musste, wurden in der Zwischenzeit behindertengerechte Zugänge errichtet, so dass ich hier mittels eines nagelneuen Aufzugs den Bahnsteig verlassen kann.

Während der Fahrt ist mir aufgefallen, dass ich leider auch meine Stirnlampe zuhause liegengelassen habe. So halte ich hier in Elsterwerda noch kurz Ausschau nach einem Elektroladen oder ähnlichem, um mir vielleicht preiswert noch eine kleine Lampe zu kaufen. Ich habe Glück, auf meinem Weg komme ich tatsächlich an einem Intersport-Laden vorbei. Ich schaue kurz hinein und kann tatsächlich eine kleine LED-Lampe zum Anclippen ergattern, die auch ein schmales Stirnband dabei hat. Sie wird mir in Zukunft gleich auch als kleine Zeltleuchte dienlich sein.

Und nun kann es endlich losgehen. Weit ist es ja nicht entfernt, mein heutiges Tagesziel: Forsthaus Prösa heißt der Flecken, mitten im Naturpark Niederlausitzer Heidelandschaft gelegen, aber dafür führt die Straße gleich erst einmal heftig bergauf. Und an mir rinnen nun schon bald zum zweiten Mal am heutigen Tage Schweißbäche hinab. Das kann ja heiter werden – vor allem weil mir heute Abend keine Dusche in Aussicht steht. In Kraupa verlasse ich dann die Straße und von nun an radele ich auf Waldwegen munter weiter meinem Tagesziel entgegen. Zumindest auf den Streckenabschnitten, wo ich gerade nicht schieben muss. Ach ja, wie ich Sandpisten liebe, in denen das schwere Rad wie wild unter mir schlingert, bis es mich erneut erfolgreich abgeworfen hat. Da kommen gleich Erinnerungen an den letztjährigen Radurlaub an Polens Ostseeküste auf!

Naja, ganz so schlimm, wie an den ersten sandigen Stellen befürchtet, wird der Weg schließlich doch nicht und bald schon kann ich links und rechts des Weges die ersten blühenden Heidesträucher sehen. Tatsächlich ist mir also das Glück hold und die Heide noch nicht verblüht. So aus der Ferne kann man das ja immer schlecht abschätzen. Der Höhepunkt der Heideblüte ist zwar inzwischen überschritten, aber mit den sich öffnenenden Heideflächen um mich herum kann ich doch noch immer ein beeindruckendes lila Blütenmeer erleben.

Ich schiebe inzwischen mein Rad, obwohl es meist nicht nötig wäre, denn so kann ich diesen Anblick ganz in Ruhe genießen und nach Fotomotiven Ausschau halten. Auf dem ersten kleineren Pfad, auf den ich abbiege, placke ich mich jedoch bald auf immer tiefer werdenden Sandabschnitten ab und schließlich endet er in einer Sanddüne. Ich muss also umdrehen und zurück zum Hauptweg. Immer wieder stelle ich dort dann das Rad ab und fotografiere die schönen Heidekräuter von fern und aus der Nähe.

Als ich mich beim Fotografieren wieder einmal ein paar Meter vom Weg entfernt habe, hält plötzlich ein Auto neben mir. Der Förster vom Revier „Drei Eichen“  steigt daraus aus, um mich darauf aufmerksam zu machen, dass ich die Wege hier im Naturpark nicht verlassen darf. Er belässt es glücklicherweise bei der Ermahnung und im Anschluss entwickelt sich noch ein sehr nettes Gespräch über den Naturschutzgedanken allgemein, über die hier heimische Flora & Fauna speziell und schließlich über´s Reisen in ferne Länder. Ein paar Tage später, als ich mich mit meinen Eltern über diese Begegnung unterhalte, stellt meine Mutter fest, dass sie mit diesem Förster wohl gemeinsam studiert hat und er mich deshalb schon als kleines Mädchen einmal kennengelernt hat. Verrückt, die Welt ist eben doch ein Dorf, wie man so schön sagt.

Als der gute Mann schließlich wieder davonfährt, schnüre ich weiter allein mit mir und meiner Kamera durch die Heide und genieße die sagenhafte Ruhe hier. Einfach nur Stille, betörende Stille. Nein, nicht ganz. Ein paar leise Geräusche kann ich doch vernehmen. Das Rascheln des Windes in den bereits gelb werdenden Birkenblättern. Das Summen Heidehonig sammelnder Bienen. Ein Rabe grüßt krächzend droben vom schäfchenwolkenverzierten Himmelsgewölbe und ich grüße mit einem Lächeln auf den Lippen zurück. Ab und zu summt auch eine dicke Hummel oder ein schillernder Brummer an mir vorbei und tief im Heidekraut versteckt zirpen die Grillen. Ansonsten ist nichts zu hören. Kein Motor, keine Stimmen, kein Lärm. Nur die Geräusche der Natur um mich herum. Welch seltener und vollendeter Genuss! Ganz langsam fällt mit der fehlenden menschgemachten Geräuschkulisse auch der Alltag von mir ab. Ich bin nur noch im hier und jetzt – eins mit der erfüllenden Natur um mich herum.

Langsam gehe ich immer weiter, fotografiere die kleinen Heideblüten und die vielen Tagpfauenaugen, die sich an deren Nektar laben. Ich beobachte die unterschiedlichen Heuschrecken, die bei jedem meiner Schritte seitlich davon hüpfen. Ich kann sogar ein paar Schrecken mit blauen Flügeln ausmachen, wie ich sie sonst bisher nur in Kroatien gesehen habe. Im Geäst einer alten Eiche schimpft lautstark kekkernd ein Eichhörnchen über mich ungeliebten Eindringling, als ich darunter stehen bleibe.

Es ist bereits später Nachmittag. Ich setze mich eine zeitlang in den warmen Sand und lasse diesen durch meine Finger rieseln. Ich beobachte, wie die Sonne immer tiefer den Himmel hinab wandert und dabei die Landschaft in weiches Abendlicht taucht. Ich atme tief durch und spüre, wie sich langsam meine Gedanken ordnen. Die ziemlich unschöne Trennung von meinem Freund, liegt jetzt genau einen Monat zurück. Mit dem zeitlichen Abstand, in welchem der Schock über die Art und Weise der Trenung ein wenig nachgelassen hat, macht sich in den letzten Tagen eine Wehmut in mir breit, die mich innerlich fast zerreißt. Eigentlich sollte ich froh sein, wieder alleine zu sein, habe ich mich doch vor der Trennung so manches Mal danach gesehnt, einmal wieder etwas Zeit einfach nur für mich selbst zu haben. Auch habe ich schon länger kaum mehr daran glauben können, dass wir es als Paar schaffen würden. Zu unterschiedlich waren unsere Lebensansichten und zu verschieden unsere Charaktere. Und doch fühlt es sich gerade wie Versagen an, schon wieder eine Beziehung am Ende. Dabei habe ich so gehofft, endlich angekommen zu sein, bei „dem einen“ Menschen. Aber es sollte wohl nicht sein. Wahrscheinlich bin ich einfach nicht für´s Zusammenleben gemacht. Und jetzt sitze ich hier inmitten wunderschöner Natur, genieße die letzten Sonnenstunden des Altweibersommers und versuche wieder zu mir selbst zu finden, meine Ruhe und mein inneres Gleichgewicht wieder zu erlangen. Und ich weiß, dass es auch dieses Mal weitergehen wird, dass all das, was passiert, einen Grund hat, auch wenn er nicht immer offensichtlich ist…

Während die Sonne bereits ihre letzten goldenen Strahlen über die Heide sendet, nehme ich mir noch einmal die Kamera und fange die Stimmung dieses herrlichen Abends ein. Die zarten Farben der Heideblüten, Heufalter, die manchmal gerade lange genug an einer Stelle sitzen, dass ich sie mit durchleuchteten Flügeln fotografieren kann.

Nachdem die Sonne schließlich untergegangen ist, wird es schnell frisch und fast augenblicklich schlägt sich damit auch der Tau auf allen Dingen nieder. Ich suche mir einen Schlafplatz am Waldrand mit Blick über die offene Heidefläche und baue schnell das Zelt auf. Gerade als dieses steht, fliegt auf einmal eine fast weiße Eule ganz dicht über mich hinweg wie ein heller Schatten. Sie blickt mich mit ihren dunklen Augen an, so als ob sie sich fragt, was ich hier in ihrem nächtlichen Jagdrevier verloren habe? Ich nehme an, es ist eine Kornweihe, bin mir aber nicht sicher. Sie landet in einer nahen Kiefer, aber bevor ich die Kamera in der Hand habe, fliegt sie bereits wieder lautlos in die Nacht davon. Eine Begegnung, die in Erinnerung bleibt und einen schönen Abschluss des Tages bildet. Ich mache noch ein letztes Foto vom aufgehenden Sichelmond und da ich keinen Appetit auf Abendbrot habe, schlüpfe ich nach der Katzenwäsche zum Schlafen in mein Zelt.

Die Nacht wird ziemlich frisch und ich bin froh, dass ich statt des dünnen Sommerschlafsacks, doch meinen Daunenschlafsack dabei habe. Trotzdem werde ich immer wach und die Nacht zieht sich in die Länge. Meine Hüfte schmerzt und ich wälze mich auf meiner Matratze von der einen Seite zur anderen, bevor ich wieder für eine zeitlang einschlafe.

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